Mobility and Urbanization, Energy Efficient Systems

»Mobilitätswandel setzt Vernetzung voraus«

Nachhaltige Mobilitätskonzepte gelten als zentraler Faktor, um die Lebensqualität in Städten zu verbessern. Fraunhofer Mikroelektronik sprach mit Silke Cuno, Leiterin des EU-Projekts »STREETLIFE«, über neue Lösungsansätze.

© Fraunhofer FOKUS
Silke Cuno.

Frau Cuno, vor welchen Herausforderungen stehen die Städte von morgen?

In der Zukunft werden immer mehr Menschen in Städten leben – bis 2050 rechnet man mit mehr als doppelt so vielen wie heute. Es gilt, die Lebensqualität aller Menschen gleichberechtigt zu halten und gleichzeitig Umwelt und Klima zu schützen. Das erfordert eine Neuausrichtung der Energie- und Mobilitätsysteme. Mobilitätswandel setzt voraus, dass Verkehrsteilnehmer, Verkehrsmittel und Betreiber miteinander vernetzt agieren. Man benötigt Zugriff auf möglichst viele Echtzeitdaten und nach Möglichkeit auch städtische 3D-Modelle, wie wir sie im Projekt STREETLIFE geschaffen haben. Zukünftige Servicesysteme sollen individuelle, nachhaltige Mobilitätsangebote in Form von intermodalen Mobilitätsserviceketten ermöglichen: »Mobility as a Service«. Dabei ist die Aufgabe der Regierung, zu regulieren und Inklusion zu gewährleisten.

Ein Hauptziel des Projekts war es, CO²- Emmissionen zu senken, indem Verkehrsteilnehmer motiviert werden, nachhaltige Verkehrsmittel zu nutzen. Auf welche Anreize haben Sie dabei gesetzt?

In erster Linie auf Information: Für viele Nutzer ist die Verfügbarkeit von mobilitätsbezogenen, intermodalen Informationen in Echtzeit wichtig. Verkehrsteilnehmern werden für eine Streckenabfrage mehrere Optionen möglichst nahtloser Routenkombinationen, die sich aus mehreren Verkehrsmitteln zusammensetzen (Intermodal), angeboten. Für Nutzer ist etwa interessant, wie viel Zeit sie sparen, wieviel CO² oder auch Kalorien sie verbrauchen, wenn sie Rad fahren, wie das Wetter ist, wo Unfallhotspots sind, welche Events, Geschäfte sie passieren usw. Auch der Einsatz von Gamification-Ansätzen in den STREETLIFE-Apps hat das Nutzerengagement merklich gesteigert. Sehr gut angekommen ist auch die Möglichkeit des Nutzerfeedbacks: Besonders die Fahrradfahrercommunity zeigte großes Interesse daran, konkrete Hinweise zur Verbesserung der Infrastruktur mitzuteilen. Insgesamt wurde deutlich, dass Menschen unter diesen Voraussetzungen tatsächlich ihr Mobilitätsverhalten ändern: Rad und öffentlicher Nahverkehr wurden öfter benutzt als Autos.

Von März bis Mai lief eine erste Pilotphase in Berlin, Tampere und Rovereto. Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse aus diesem »Praxistest«?

In der Pilotphase mussten die spezifischen Anforderungen der Städte berücksichtigt werden. STREETLIFE hat dafür mit lokalen Stakeholdern zusammengearbeitet. Dadurch konnten die Ansprüche an eine Mobilitätsplattform besser kennengelernt und gleichzeitig eine allgemeine, übertragbare Referenzarchitektur für offene urbane Mobilitätsplattformen entwickelt werden. Die wichtigste Erfahrung war: Man sollte so früh wie möglich Nutzeranforderungen auf lokaler Ebene erheben und so viele Nutzer wie möglich testen lassen. Auch über die positiven Effekte der Gamification- Methode waren wir überrascht.

Wie können relevante Entscheider künftig von den Projektergebnissen profitieren?

Wir haben vor allem auf Open Data, Open Source Komponenten und offene APIs gesetzt. Dadurch können die Lösungen für andere Städte individuell angepasst werden. Mit unseren Erfahrungen können wir Städteplaner oder andere Entscheider beim Einsatz von innovativen Technologien im Mobility Bereich beraten und dabei unterstützen, auf die von uns ausgearbeiteten Anwendungen aufzusetzen. Alle Dokumente zum Projekt stehen voraussichtlich ab Januar auf unserer Webseite zum Download bereit.

Zu guter Letzt: Verraten Sie uns Ihr bevorzugtes Verkehrsmittel?

Ich fahre am liebsten mit dem Fahrrad, bei ungünstigen Wetterverhältnissen nutze ich alternativ Öffis. Für Berlin wünsche ich mir eine Verbesserung der Fahrradverkehrsinfrastruktur, sodass Radfahren für alle sicherer wird.

Frau Cuno, vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Tina Möbius.

Zur Person:

Silke Cuno, M.A. der Technischen Universität Berlin, arbeitet im Kompetenzzentrum DPS (Digital Public Services) des Fraunhofer FOKUS in Berlin. In den vergangenen Jahren war sie an der Entwicklung und Koordination internationaler Kooperationen und europäischer IKT-Forschungsprojekte im Smart Cities- Kontext beteiligt, insbesondere in Projekten, die Verwaltung und Industrie bei der strategischen Umsetzung von interoperablen Informations- und Kommunikationslösungen unterstützen. Zuletzt koordinierte sie das von der Europäischen Kommission geförderte Projekt STREETLIFE zum Thema »Integrated personalised Mobility for Smart Cities« mit 12 Partnern und drei Piloten in Berlin, Tampere und Rovereto. Ihr Interesse liegt im Bereich »Nachhaltige Städte «, Smart City-Plattformen und sozialer Innovation.

Letzte Änderung: