Reflex statt Reaktion

Im Projekt »MARS« haben das Fraunhofer IIS / EAS und GLOBALFOUNDRIES hochzuverlässige 22-nm-FDSOI-Bausteine weiterentwickelt. Diese sollen zukünftig »Taktile Intelligente Systeme« made in Dresden ermöglichen. Von solchen funkvernetzten und miteinander in Echtzeit kommunizierenden Systemen werden Bereiche wie das autonome Fahren oder Anwendungen für eine intelligente Produktion enorm profitieren.

© MEV Verlag
Automatisierter Test von Mikrosensoren.
© GLOBALFOUNDRIES Dresden
Chipzuverlässigkeit: Wafertest beim Halbleiterhersteller in Dresden.

Jede Sekunde zählt? Nein – im Zeitalter des Internet of Things (IoT) ist das zu langsam. Viele Systeme müssen innerhalb von Sekundenbruchteilen reagieren. In manchen Zukunftsbereichen wie etwa der Car2X-Kommunikation autonom fahrender Fahrzeuge oder robotergestützten Operationen muss es sogar noch schneller gehen. Möglich machen das so genannte Taktile Intelligente Systeme (TIS), die sich durch eine Echtzeit- Steuerung, hohe Rechenleistung, zahlreiche verschiedene Sensoren und Aktoren, hohe Datenraten und minimale Latenzzeiten auszeichnen. Durch TIS sind Geräte in der Lage, nicht nur schneller auf Signale von anderen Systemen, der Umgebung oder Nutzern zu reagieren, sondern »reflexartig« zu agieren. So wird eine komplett neue Form der Interaktion und Vernetzung möglich. Entsprechend groß ist das Marktpotenzial. Wegen ihrer extrem niedrigen Latenzzeit von unter einer Millisekunde sind TIS vor allem für Bereiche wie Industrie 4.0, Robotik-Anwendungen, Medizintechnik und Automobilbau von großem Interesse.

Leistungsstark und energiesparsam

Ein Meilenstein für TIS ist dabei die von GLOBALFOUNDRIES entwickelte und fertigungsreife 22-nm-FDSOI-Technologie (Fully Depleted Silicion on Insulator). Bei FD-SOI-Transistoren kommt eine sehr dünne, aber elektrisch sehr stark isolierende Sperrschicht aus Siliziumdioxid zum Einsatz, die unerwünschte Leckströme ins Substrat effektiv unterbindet. Dadurch geht weniger Strom verloren und die Transistoren können schneller geschaltet werden. Im Falle der neuen Chips aus Dresden ermöglicht das eine bis zu hundertfache Steigerung der Arbeitsgeschwindigkeit funkgesteuerter Ansteuer- und Empfangseinheiten bei gleichzeitig extrem niedrigem Energiebedarf.

Vorhersagemodelle berechnen Alterungsprozesse schon vor der Produktion

Da die Technologie vor allem für den Einsatz in sicherheitskritischen Prozessen gedacht ist, muss eine 100%-ige Zuverlässigkeit garantiert sein. Ziel ist es, den Nachweis zu erbringen, dass die Bausteine ihren Dienst auch nach langer Zeit einwandfrei erledigen. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS, Institutsteil Entwicklung Adaptiver Systeme EAS, haben daher im Rahmen des Projektes MARS an Software- Werkzeugen, Modellen und Verfahren gearbeitet, die die Entwurfsmöglichkeiten und die Funktionszuverlässigkeit der 22FDX-Bausteine unterstützen. »Schwerpunkt waren Methoden für Simulationen, die eine zehn- bis zwanzigjährige Verlässlichkeit der Bauteile nachweisen können«, erklärt Roland Jancke, der am Fraunhofer IIS / EAS für MARS verantwortlich war. Dabei wurden erstmals aussagekräftige Alterungsmodelle für die neuen Bauelemente erforscht. Im Gegensatz zu früheren empirischen Modellen basieren sie auf den tatsächlichen physikalischen Effekten. Sie erlauben damit bereits Vorhersagen zur Zuverlässigkeit unter verschiedenen Einsatzbedingungen, bevor überhaupt erstes Silizium produziert ist. Im Rahmen des Forschungsprojektes konnten die Partner belegen, dass die Vorhersagemodelle und die ersten Messdaten bereits gut zusammenpassen. Nun sind weitere Arbeiten geplant, um noch zusätzliche Effekte in den Modellen berücksichtigen zu können.

Das Projekt MARS wurde von der Europäischen Union und dem Freistaat Sachsen im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert (Projektnummer 100225166).

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